Memo-Spiel aus Holz; erste Regelspiele für Kleinkinder

Wann können Kinder Gesellschaftsspiele spielen? 
Welche Spielregeln kann mein Kind schon verstehen?

Das kennen wohl alle Eltern: Kleine Kinder halten bei Gesellschaftsspielen Regeln oft nicht gerne ein. Zum Beispiel, indem Greta beim Kartenspiel heimlich unerlaubt Karten aufklappt. Oder wenn Jona seine Spielfigur mehr Felder als Würfelaugen ziehen lässt und sogar rückwärts gehen will. Gerade wenn mehrere Kinder gegeneinander antreten, entsteht aus solchen „Regelauslegungen“ schnell Streit: Die pfuscht! Eltern fragen sich dann: Soll ich verlangen, dass mein Kind die Spielregeln akzeptiert? Oder können Kleinkinder Spielregeln einfach noch nicht einhalten?

Memo-Spiel aus Holz; erste Regelspiele für Kleinkinder

Erst mal frei spielen lassen!

Überlegen wir zunächst, wie Kinder Gesellschaftsspiele vermutlich wahrnehmen. Aus ihrer Sicht sieht es wohl so aus, wenn wir zusammen spielen: Da gibt es Erwachsene, die Lust auf ein gemeinsames Spiel haben – toll! Dazu kommt vielleicht ein Kasten mit bunten, fantasieanregenden Figuren oder schön bebilderten Karten. Klar, dass das Kind damit frei losspielen will! Für die Kleinen ist es dann oft irritierend, zu erfahren: Spielbrett und Figuren dienen nur zu einem einzigen Zweck, der in einer offensichtlich langweiligen Anleitung festgeschrieben ist: „Damit darf man nur ziehen, wenn …“ Die Folge ist oft Frust. Dagegen hilft ein simpler Trick: Lassen Sie die Kinder zunächst ganz frei mit hübschen Spielmaterialien spielen. Später können Sie vorschlagen: „Wollen wir mal so spielen, wie es sich die Spielemacher:innen ausgedacht haben?“

Ist mein Kind reif für Spielregeln?

Ab welchem Alter eignen sich Regelspiele überhaupt für mein Kind? Man kann gut am Spielverhalten ablesen, ob ein Kind reif wird für Würfel, Spielkarte und Co. So spielen die meisten Kleinkinder zu Anfang ihrer „Spielkarriere“ anfangs gerne allein oder mit nahen Bezugspersonen. Erst im dritten Lebensjahr wenden sie sich vermehrt anderen Kindern als Spielpartner:innen zu. Dabei geht es oft darum, sich auf eine gemeinsame Spielhandlung einzulassen („Wir sind jetzt Jäger“). Noch entwickelt sich das Spiel sehr frei nach den Ideen der Mitspielenden. Ein langsames Heranführen an erste Regelspiele kann um diese Zeit beginnen. Das Einhalten fester Regeln fällt den Kleinen aber noch schwer. Seien Sie daher nachsichtig und nicht zu strikt bei der Regelauslegung. Etwa ein, zwei Jahre später setzen die Kinder selbst erste „Regeln“ im freien Spiel fest. Jetzt hört man die typischen „Wir wären wohl …“-Sätze: „Im Spiel wären wir wohl Piratinnen …“. Jetzt ist der Moment, in dem die Kinder wirklich reif für Gesellschaftsspiele mit starren Regeln, Gewinnen und Verlieren sind.

Holz Stapelsteine in verschiedenen Farben mit Würfel

Ist es ok, wenn mein Kind bockig wird, sobald es verliert?

Selbst wenn Ihr Kind bereit für erste Spiele mit Regeln ist, heißt das noch lange nicht, dass dabei keine Tränen, Streits und Regelverstöße gibt. Im Gegenteil: Es ist jetzt „Spiel-Anfänger:in“, will und muss erst einmal lernen, mit den Konsequenzen aus Spielregeln klarzukommen. Das bedeutet zum Beispiel, zu akzeptieren, dass man verliert. Es nicht persönlich zu nehmen, wenn Mitspieler:innen mich zurücksetzen. Damit umgehen, dass Mitspieler:innen es nicht genauso toll finden wie man selbst, wenn man gewinnt … All das sind wichtige, aber oft harte Lernmomente, die man im Spiel üben kann, um sie auch im richtigen Leben anzuwenden. Eigentlich klar, dass Eltern ihren Kindern mit viel Gelassenheit begegnen müssen, um solche schwierigen Dinge Schritt für Schritt zu lernen!

Soll ich mein Kind gewinnen lassen, damit es nicht traurig wird?

Wenn Mattis schon den Schmollmund aufsetzt, bevor man „Ligretto“ sagen kann, fragen sich Eltern: Jetzt knallhart sein und den Sieg einfahren, mit allen Konsequenzen? Oder großzügig darauf verzichten, damit das Kind nicht enttäuscht ist – aber es gleichzeitig als Spielpartner auch nicht ernstnehmen? Auf die Frage kann man auf zweierlei Weise antworten: Grundsätzlich ist es gut für Kinder, zu üben, dass Verlieren zum Spiel gehört. Andererseits sind Eltern und größere Geschwister keine neutralen Mitspieler:innen, sondern wichtige Bindungspersonen des Kindes. Und weil kleinere Kinder Spiel und Ernst kaum auseinanderhalten können, ist es sehr schwer für sie, triumphierende Eltern beim Spiel nicht als Kränkung zu sehen. Deswegen der Rat: Machen Sie die Sache mit dem Gewinnen zur Nebensache.

Memo Tiere Holz

Was lernen Kinder beim Gesellschaftsspiel?

Eigentlich ist die Sache mit dem Gewinnen sowieso unwichtig im Vergleich zu dem, was Kinder beim Spielen sonst noch lernen. Viele Gesellschaftsspiele sind wahre Schlaumacher: Beim Memo-Spiel trainieren Kinder Aufmerksamkeit, Orientierungssinn, Logikverständnis. Beim Bilderlotto beschäftigt sich das Kind mit Ähnlichkeiten und Unterschieden: „Das ist gleich, das gehört hierhin!“. Und bei jedem Würfelspiel tauchen Kinder nebenbei in die Welt der Zahlen ein: Vier Würfelpunkte bedeuten vier Schritte. Das Tolle: All diese Lernmomente stellen sich auch dann ein, wenn Ihr Kind beim Spiel Regeln missachtet.

Wie man mit Kleinkindern Regelspiele spielt

Zusammengefasst kann man raten: Gerade mit Kindern unter vier, fünf sollten Sie den gemeinsamen Spielmoment und die Lerneffekte genießen. Gewinnen und Verlieren ist noch schwer auszuhalten und sollte nicht allzu sehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Auch bei Spielen, in denen es Sieger:innen gibt, können Sie das Gewinnen zur Nebensache machen. Zum Beispiel, indem Sie nicht feiern, wer beim Memo-Spiel die meisten Karten sammelt. Freuen Sie sich stattdessen gemeinsam, nach und nach alle Pärchen aufzudecken! Oder beim Balance-Spiel darüber, wie hoch der Turm werden kann. Lassen Sie es bei allen Spielen auch zu, dass Ihr Kind während des Spiels die Materialien umfunktioniert und mit den Spielfiguren Rollenspiele spielt. Freuen Sie sich darüber, dass Ihr Kind so viele eigene, fantasievolle Ideen hat, was man mit den Dingen machen kann! Und genießen Sie Spiele dafür, wozu sie erschaffen wurden: Als Moment, miteinander Spaß zu haben.

 

Dies ist ein Artikel unseres Gastautors Michael Fink. Er ist als Dozent in der Fort- und Weiterbildung von Erzieher:innen und Lehrer:innen tätig, Mitbegründer einer pädagogischen Fachzeitschrift und Autor von über 50 pädagogischen Fachbüchern.

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